WR498 Politikunterricht: Partizipation

 

wrint_politik_120Thomas Brandt ist Sozialkundelehrer und erteilt mir Politikunterricht. In der 16. Stunde lerne ich, wie man politisch mitwirken kann.

Ausführliche Shownotes und Flattr-Buttons gibt’s in Thomas’ Blog.

28 Gedanken zu „WR498 Politikunterricht: Partizipation

    1. Thomas

      Was soll ich tun? Es ist eine frustrierende Geschichte. Jenseits von Wahlen, die tatsächlich eine Auswirkung auf das politische Bild haben, gibt es wenig, dass Politik im Großen beeinflussen kann und im Kleinen gibt es zwar etliches, aber das bleibt dann an institutionellen Problemen wie Fraktionszwang und Koalitionsverträgen hängen. Ja, die Abgeordneten hören dir zu und man findet tausende Anträge zu Gesetzesvorschlägen, die total sinnvoll sind, aber die kommen aus der falschen Fraktion oder widersprechen dem Koalititonsvertrag.

      Ich hab halt ein Problem damit mich hinzustellen und jeden zur dauerhaften Mitwirkung animieren. Die Erfahrung ist dann für die meisten frustrierend und es ist nicht wirklich realistisch sowas von Leuten zu erwarten. Das Ziel des Politikunterrichts allgemein ist nicht den politischen Aktivbürger herzustellen. Der mündige und informierte Passivbürger reicht.

      Ich hab mir das noch mal angehört: Parteien und Wahlen kommen ja gut weg. Dazu ist die Analyse, dass es heute viel mehr nach der wahrgenommenen Meinung geht, halt auch eine gute Sache. Immerhin geht es nach ihr. Leider ist diese Meinung medial bestimmt und gefiltert. Dazu ist Politik Interessenausgleich und da ist immer die Frage welche Interessen am Ende gewinnen.

    2. Bigdaddyjohn

      @Thomas: “Das Ziel des Politikunterrichts allgemein ist nicht den politischen Aktivbürger herzustellen. Der mündige und informierte Passivbürger reicht.”

      Ist das denn wirklich euer selbstgestecktes Ziel? Wenn es sich hier wirklich um einen “Unterricht” handelt, sollten dann nicht die eigenen politischen Meinungen eher außen vorgelassen werden?

      Und ich muss dir widersprechen. Meine Erfahrung ist, dass man sehr viel bewegen kann in Parteien – teilweise sogar mehr als man denkt. Man muss natürlich auch akzeptieren können, dass Parteien ganze Gesellschaftsteile abbilden und man dementsprechend auch oft alleine mit seiner Meinung stehen kann. Bei der Politik geht es eben darum, Kompromisse zu erlangen und dann darf man solche eben nicht als Niederlage begreifen. Man muss sich dann klar machen: Wäre man nicht da würde das Pendel wohl noch mehr in die andere Richtung schlagen.

    3. Thomas

      Das Ziel ist der mündige Bürger. Die Idee, dass es ein Aktivbürger sein muss, der sich zu jedem politischen Problem einbringt, ist irgendwie weltfremd. Wenn die Leute informiert sind, eine bewusste Wahlentscheidung treffen und diese begründen können, dann ist das schon sehr viel. Alles mehr ist Bonus.

      Diese Kompromisse von denen du sprichst sind dann auch eben der Grund, warum man in einer Partei eben keine inhaltliche Wende hinbekommt und das alles eher behäbig ist. Ich finde das überhaupt nicht schlecht so.

  1. Bigdaddyjohn

    Ihr müsst meines Erachtens nach aufpassen, dass die Sendungen nicht immer mehr zu einer nihilistischen Jammerrunde mit Konservativen- bzw. Neoliberalenbashing verkommt.

    Das Sendeformat rutscht immer mehr in diese Richtung ab – Schuld sind natürlich dann immer die gleichen.

    Fände ich ein wenig schade, weil es sich eigentlich um meinen liebsten WRINT-Ableger handelt.

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    1. holgi Beitragsautor

      Halte ich mal im Blick (wir produzieren allerdings blockweise ; ). Dennoch: Was macht dich so sicher, dass nicht genau die Benannten auch tatsächlich das Problem sind?

    2. Bigdaddyjohn

      Da müsste man sehr weit ausholen. Unabhängig davon, dass ich inhaltlich in vielen Punkten anderer Meinung bin (und gerade deshalb das Format auch spannend finde)… finde ich es ein wenig schwierig in einer Demokratie eine Denkrichtung als “Problem” darzustellen. (solange sich das alles im Rahmen des GG bewegt).

      Schließlich stellen die Parteien / die Konservativen ja letztendlich eine Strömung in der Gesellschaft dar. Von richtig und falsch zu reden halte ich da ein wenig für vermessen in einer Demokratie.

      Nein, letztendlich kann ich nicht belegen, dass die Konservativen nicht an allem Übel Schuld sind. Aber fragt man die Linken, sind die Konservativen oder Liberalen an allem Schuld, fragt man diese sind die Linken an allem Schuld. Da sagt mir der gesunde Menschenverstand, dass die Wahrheit doch irgendwo in der Mitte liegen muss ;).

    3. holgi Beitragsautor

      Da ist was dran. Wenn ich mir allerdings beliebige Dinge greife, die ich als Fortschritt betrachte (Frauenwahlrecht, Diskriminierungsverbote, Ernergiewende etc.), waren das immer linke Ideen, die Konservative zunächst zu verhindern versucht haben.

      Interessant finde ich daran, dass sie es letztlich immer nur geschafft haben, den Fortschritt so lange aufzuhalten, bis sie sich selbst in profitable Position haben bringen können. Das wiederum finde ich tatsächlich problematisch, weil ich einerseits Veränderung (im fortschrittlichen Sinne) prinzipiell gut finde und darum andererseits denke, dass wir als Gesellschaft mit allem schon viel weiter sein könnten, wenn es nicht die Bremser gäbe, denen Gesellschaft egal zu sein scheint, so lange das Geld stimmt – das sich mit rückschrittlichen Methoden wesentlich komfortabler und gesicherter verdienen lässt, als mit fortschrittlichen und entsprechend ungewohnten.

      Wenn wir das ganze ausschließlich theoretisch betrachten und auf eine abstrakte Demokratie beziehen, bin ich allerdings völlig bei dir.

    4. Bigdaddyjohn

      Als Gegenbeispiel fällt mir da spontan die deutsche Wiedervereinigung ein, gegen die damals maßgeblich linke Kräfte demonstriert haben und die beispielsweise von der CDU mit vorangetrieben wurde. Auch die Gestaltung der Währungsunion und weitere Einbindung an den Wirtschaftsraum Europas entstanden unter CDU Regierung. MMn zwei der progressivsten Ereignisse der jüngsten deutschen Geschichte

    5. holgi Beitragsautor

      Die Rechten waren die Regierung und die Linken die Opposition, mussten also “dagegen” sein. Andersrum wäre es andersrum gewesen und hätte genauso funktioniert (nämlich trotz der Politik 😉 ). Und sie waren ja nicht wirklich dagegen, sondern nur gegen die Art, wie die Vereinigung vonstatten gehen sollte.

      Die Europäische Integration ist in der Tat ein progressives Projekt. Aber Kohl war auch kein Neoliberallala, sondern hat aus seiner Biografie erkannt, dass Europa der Weg zum Frieden (und die EU zumindest als Wirtschaftsraum sowieso nicht aufzuhalten) ist. So gesehen hat er auch bloß das Unvermeidliche getan – allerdings mit einer großen Vision dahinter. Das war’s dann aber auch schon, oder? :/

    6. Bigdaddyjohn

      Nene Holgi, das machst du es dir aber äußerst einfach. Das Linke politische Lager war in großen Teilen äußerst gespalten hinsichtlich der Wiedervereinigung, allen voran prominente wie Trittin oder Lafontaine. Sie wollten vielmehr die vollkommene Anerkennung der DDR.

      Ein Beharren auf eine Wiedervereinigung und eine Ablehnung der DDR als langfristige Lösung war eine klare CDU (und auch FDP) Position. Zwar gab es da auch Widersprüchler aber insgesamt waren die linken Parteien da doch deutlich gespaltener.

      Vllt mal hier die zwei Artikel (jaja ich weiß welt und zeit aber die zitate dürften wohl nicht erfunden sein)
      http://www.welt.de/politik/deutschland/article132888340/Die-Irrtuemer-der-prominenten-DDR-Versteher.html
      http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-09/gruene-ralf-fuecks-mauerfall-wiedervereinigung

      Ich möchte mich hier gar nicht inhaltlich großartig streiten, weil ich ein wenig Angst habe hier noch mehr Zuhörer anzuziehen, aber selbst wenn Kohl nicht neoliberal war, so ist er doch zumindest konservativ (genauso wie Schäuble, der ebenso für die europäische Einheit gekämpft hat und der wohl einer der radikalsten Europäer in der deutschen Politik ist).

      Und zu guter Letzt halte ich es dann doch für etwas denkfaul von dir holgi, wenn du den Konservativen und Neoliberalen alles üble zuschiebst und bei den vermeintlich guten Dingen dann auf einmal von Unvermeidbarkeiten oder politischen Automatismen sprichst. Da kann ich dann ebenso sagen die linken Parteien hätten auch nichts geändert , wären sie früher an die Macht gekommen. Beispiele fände ich da genügend, wie zum Beispiel Wehrpflicht, die dann letztendlich doch von der CDU(unter einem CSU Minister) abgeschafft werden musste.

      Aber ich hab hier eigentlich auch gar keinen großen Bedarf das konservative Lager verteidigen zu müssen. Ich fand es nur etwas befremdlich, mit welcher Selbstverständlichkeit hier schnell Urteile zwischen Gut und Böse / Richtig und Falsch gefällt werden. Das nimmt für mich dann teilweise doch stammtischparolenesque Züge an. Vielleicht war das Format von Anfang an so von euch geplant (als nette Plauderrunde von euch beiden), ich hatte die ersten Episoden allerdings irgendwie anders in Erinnerung.

      Naja, ist ja auch nur mein Eindruck und womöglich bin ich auch der Einzige, den das wirklich stört von der Hörerschaft.

    7. Eule

      Ich glaube, das mit dem “den Fortschritt so lange aufzuhalten, bis sie sich selbst in profitable Position haben bringen können” ist eine sehr starke Verengung dessen, was im konservativen Teil des politischen Spektrums passiert. Konservative unterscheiden sich von Progressiven insbesondere darin, dass sie Fortschritt nicht als Wert an sich betrachten, sondern lieber das Alte so lange bewahren wollen (hence the name) wie sich etwas Neues nicht als besser oder allgemein nützlich herausgestellt hat. Das verlangsamt den Fortschrittsprozess natürlich (man bleibt länger im letztendlich “Überholten” stecken), kann aber Sackgassen verhindern. Außerdem kommt hinzu, dass Konservative eher aufgrund eines Wertekanons aus laut ihrer Perspektive eben bewährten Prinzipien handeln, während Progressive Werten als anzustrebenden Idealen folgen. In gewisser Weise ist das ein Pragmatismus-Idealismus-Gegensatz, und Pragmatismus ist natürlich ziemlich gegenwartsbezogen.

      In Ergänzung zum Beispiel der Wiedervereinigung könnte man noch Adenauers Grundsatz der “Einheit in Freiheit” nennen, also Einheit (idealisiertes Ziel, gerade auch von der SPD damals; für Lafontaine später dann schon überhaupt nicht mehr) erst wenn die Freiheit (pragmatische Notwendigkeit aus der Erfahrung mit den Alternativen heraus) sichergestellt ist. Da war der alte Herr fortschrittlich aus konservativen Gründen. Oder vielleicht die Bismarck’sche Sozialversicherung, die nicht aus Idealismus sondern aus pragmatischen Machterwägungen heraus entstanden ist, also eher ein Mittel zum Zweck als ein Ziel war, aber trotzdem fortschrittlich.

    8. holgi Beitragsautor

      Ich halte den konservativen Wertekanon für einen Mythos, denn alles, was angeblich dazu gehört, finde ich auch bei den Progressiven – abgesehen vielleicht vom Wunsch nach Aufrechterhaltung von historisch gewachsener Diskriminierung. Und selbst Diskrimierungswünsche finde ich bei den Progressiven, wie ich Antidiskriminierung bei Konservativen finde – allerdings jeweils nur vereinzelt. Ich denke, dass es Konservativen letztlich nicht darum geht, Neues erstmal gelassen anzusehen (wie die Amish), sondern um simple Besitzstands- und Einflusswahrung. Das ist sicherlich menschlich, aber halt auch egoistisch und damit eher gesellschaftsfeindlich, erfordert also eine größere kognitive Anstrengung, die Konservative in meiner Wahrnehmung sehr oft scheuen.

      Ich merke gerade, dass ich Privates – wo ich überwiegend mit Konservativen verkehre – mit Politischem – wo ich Konservatismus für schädlich halte – vermische (falls man das überhaupt trennen kann). Wahrscheinlich muss man zwei getrennte Debatten darüber führen.

    9. sternburg

      @Bigdaddyjohn:

      Nene Holgi, das machst du es dir aber äußerst einfach. Das Linke politische Lager war in großen Teilen äußerst gespalten hinsichtlich der Wiedervereinigung, allen voran prominente wie Trittin oder Lafontaine. Sie wollten vielmehr die vollkommene Anerkennung der DDR.

      Mit Verlaub, aber ich finde, wer es sich hier etwas zu einfach macht, dass bist Du.

      Zum einen, wenn man schon versucht, mit historischen Entwicklungen heutige Denkmuster zu legitimieren: Die Spaltung Deutschlands wurde ursprünglich in erster Linie von Adenauer und den West-Alliierten vorangetrieben. Stalins und die offizielle Zielsetzung der frühen DDR war ein vereintes, blockfreies und demilitarisiertes Deutschland.

      Inwieweit letzteres purer Menschenfreundlichkeit entsprang, dies lasse ich mal offen. Womit wir beim nächsten Punkt wären: Wer sagt Dir eigentlich, dass “die Wiedervereinigung” (genauer: Der Beitritt) in dieser Form wirklich eine gute Sache war? Oder – andere Fragestellung – auch nur gut gemeint?

      Damals gab es ein ganzes Rudel voll kluger Köpfe, die sowohl vor einer übereilten Wiedervereinigung, als auch vor einem bloßen Überstülpen des Systems der BRD auf das Gebiet der DDR warnten. Sowohl aus politischen und verwaltungstechnischen (ich denke, diese beiden Punkte braucht man nicht auszuführen) als auch und vor allem aus ökonomischen Gründen. Gerade der von Dir benannte Lafontaine hat entgegen einer weit verbreiteten Ansicht damals nicht etwa Kohl den ohne die freudetrunkenen Neubürger im Leben nicht möglichen weiteren Wahlsieg gegönnt (das vielleicht auch, wer weiß). Sondern der warnte davor, dass die Ökonomien in der DDR einen solchen Schritt nicht verkraften, die Betriebe nicht überleben und die Gemeinwesen zusammenbrechen würden. Sinnvoller sei vielmehr, der DDR im Rahmen einer langsamen Annäherung zunächst mal ihren eigenen Binnenmarkt und vor allem ihre eigene Währung zu belassen. Quasi als Sonderwirtschaftszone mit der BRD (und ihren Handelspartnern) als bevorzugtem Exportgebiet. Aber auch unter Beibehaltung der alten Wirtschaftsbeziehungen nach Osten.

      Man wird niemals heraus finden können, wer Recht hatte. Aber ich sag es mal so: Die spätere Entwicklung hat Lafontaine nicht gerade zwingend widerlegt.

      Und wer jetzt noch den Aluhut aufsetzt, für den ist es nicht mehr weit bis zu dem Gedanken, der westdeutschen Industrie sei ein riesiger neuer Absatzmarkt, auf dem man an intensive Werbung noch nicht gewöhnte Menschen quasi jeden Scheiß verkaufen konnte, wahrscheinlich lieber gewesen als ein neuer Blliglohn-Konkurrent. Wie es wahrscheinlich auch den politischen Eliten angenehmer war, die Verwaltung für 16 Millionen Bürger neu aus dem eigenen Bestand besetzen und entsprechende Posten und Pöstchen verteilen (oder einnehmen) zu können als das auf ein Mal ein offener gesellschaftlicher Dialog über ein zukünftiges gemeinsames Staatswesen geführt würde. Aber wer möchte das schon (also den Aluhut aufsetzen).

      Verstehe mich bitte nicht falsch: Du gibst dem Hausherren kontra und das ist grundsätzlich immer zu begrüßen. Und Du gibst gleichzeitig mir, der ich weitgehend ähnlicher Ansicht bin, kontra. Was im besten Fall zu Erkenntnisgewinn führt. Aber Du hast Dir da ein sehr unglückliches Beispiel ausgesucht.

      Das dient allenfalls dem Beleg, dass Kohls Machtinstinkte – selbst auf dem absteigenden Ast – bei weitem besser ausgebildet waren, als die seiner Konkurrenten.

    10. André

      Ich würde die Wiedervereinigung eigentlich nicht progressiv nennen, sondern restaurativ und damit als Ansatz eher dem Konservativen verhaftet. Auch die Abschaffung der Wehrpflicht sehe ich nicht als progressiv an.

      Allerdings erkenne ich auch keinen Widerspruch darin Konservatismus als eine grundsätzlich negative politische Kraft zu sehen und Beispiele zu haben, wo Konservative eine positive Rolle gespielt haben. Gegenbeispiele wären es nur dann, wenn spezifisch die konservativen Einstellungen das Positive bewirkt haben. Und das würde ich beim dritten Beispiel, Europäische Einigung, zum Beispiel nicht sehen.

  2. Eule

    Bei dir sind Konservatismus und Egoismus augenscheinlich synonym miteinander verdrahtet; das kann ich persönlich nicht teilen, bzw. nur insofern als man Egoismus als menschliche Eigenschaft überhaupt nirgendwo rausnehmen kann. Aber ich halte ja auch Konservatismus und Neoliberalismus (in heutigem Sinn) für nur schwer vereinbar: Im Konservatismus ist die Sorge vor Fehlern ein prägendes Element gerade aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus, denn er möchte ja ein auf Dauer angelegtes funktionierendes Gemeinschaftswesen (innerhalb dessen es sicherlich eine Hierarchie gibt, aber nicht im ausbeuterischen Sinne), während dem Neoliberalismus das Morgen und der Nächste ziemlich egal sind.

    Konservative wollen nicht den Kaiser zurück, sondern ihre Ruhe. Große wirtschaftliche Missverhältnisse, wie sie der Neoliberalismus im Sinne ungezügelter Marktwirtschaft billigend in Kauf nimmt, stören da ebenso wie ein progressives Bemühen, dem notorisch trägen Volk einen wie auch immer erkannten Fortschritt unbedingt überhelfen zu wollen. Das macht Konservative langsam und irgendwie dröge, aber nicht – um mich Bigdaddyjohn’s Punkt vom Anfang anzuschließen – an allem Übel schuld oder automatisch zum Problem.

    Am Ende läuft es wahrscheinlich darauf hinaus, wie man das politische Spektrum versteht: Nach klassisch ausgewogenem Rechts-Links-Schema mit einer konsensorientierten demokratischen Mitte oder eher als Vektor von schlecht nach gut. Letztere Sichtweise scheint mir zunehmend an Anhängern zu gewinnen, was ich aufgrund der darin zwangsläufigen Frontenbildung für ein tatsächliches Problem halte.

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    1. holgi Beitragsautor

      Diese Verdrahtung existiert in meinem Kopf tatsächlich und entspringt meiner Alltagserfahrung, in der die Konservativen am Ende halt doch die gehässigeren Menschen sind, die zwar immer fein darüber parlieren können, dass nebenan jemand verreckt, das Helfen am Ende aber doch auf die Progressiven abschieben (was sicherlich etwas fahrlässig, weil nicht repräsentativ ist).

      Danke für die Erklärungen “Sorge vor Fehlern” und “Ruhe”. Denen kann ich gut folgen. Vermutlich erwische ich mich darum auch recht häufig beim Konservativsein 😉 Beim Überhelfen von Fortschritt bin ich vorsichtig, denn Fortschritt passiert in der Regel, weil er sinnvoller oder vernünftiger ist, als der Status quo. Hier bleibe ich dabei, dass Konservative ihren Besitz und Einfluss wahren wollen. Ich finde, das sieht man ganz schön an den Diskussionen um ein bedingungsloses Grundeinkommen und teilweise auch beim fahrscheinlosen ÖPNV.

      Das Sichtweisenproblem sehe ich auch. Insbesondere an den Rändern wird das heutzutage sehr deutlich: Kreischendes Social Justice Warriortum am einen Ende und (sozial-/kultur-) rassistisches Gebrüll am anderen. Darum stehe ich auch so sehr auf Merkel 🙂

  3. Gregor Wilkenloh

    Hier in Hanau, einer völlig unbedeutenden 90.000 Einwohner-Kleinstadt, haben wir den Versuch gestartet, eine Wahlliste der Leute aufzustellen, die aus dem “linken Spektrum” stammen und politisch aktiv sind. Soo viele sind das gar nicht! Nachdem sich die LINKE, die PARTEI, die DKP und die DIDF zusammengetan hatte, war immer noch Platz für ältere Buchautoren, ehemalige ATTAC Gründer oder sonstwas. Für die Kommunalwahl haben wir jetzt 27 Listenkandidaten fürs Stadtparlament und ausreichend Kandidaten für die großen 3 Ortsbeiräte. Zumindest hoffen wir, auf diese Art wenigstens hier in Hanau den zersplitterten rechten Rattenfängern etwas kraftvolles entgegenzusetzen… https://allhanau.wordpress.com/

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  4. Felix

    Eine kurze Anmerkung zu dem Thema Petitionen bzw. Petitionsausschuss noch:

    “Mein” Bundestagsabgeordneter (in Anführungsstrichen, da ich Ihn nicht gewählt habe) ist Mitglied im Petitionsausschusses. In der Lokalpresse berichtete er davon, dass der Petitionsausschuss wohl der unbeliebteste Ausschuss unter den Parlamentariern ist aus zwei Gründen:

    Zum einen ist die Mitarbeit wohl vergleichsweise arbeitsintensiv (im Vergleich zu den übrigen Ausschüssen), zum anderen gilt der Petitionsausschuss als prestigelos und als öffentlichkeitsarm. Daher ist dieser für Abgeordnete aus der dritten und vierten Reihe vorgesehen oder als “Bestrafung”: Hältst du dich nicht an den Fraktionszwang oder bringst durch eine unbequeme Meinung Unruhe in die Fraktion, landest du bei nächster Gelegenheit im Petitionsausschuss.

    Als Beispiel dafür ist damals die öffentliche Drohung von Volker Kauder zu nennen, dass Abweichler bei der letzten Griechenlandabstimmung bei einer Nein-Stimme aus wichtigen Ausschüssen abgezogen werden.

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  5. blub

    Ich finde euer Piratenbashing ja ganz unterhaltsam aber die Partei ist ja nicht per se an Leuten kaputt gegangen die lieber eine Variante der FDP wollten. (Also vielleicht an dere Umgangsformen, aber das war ja eher ein allgemeines Piratenproblem)
    DAS Piratenthema waren ja im Prinzip (Digitale)Bürgerrechte und Bürgerrechte waren für die FDP seit 20 Jahren nur ein Feigenblatt, es war also aus deren Perspektive nicht falsch sich einer neuen Bürgerrechtspartei anzuschließen.

    Übrigens finde ich das man den Begriff “konservativ” etwas anders Benutzen sollte als es auch von dir Holgi derzeit getan wird.
    Fang wieder an die CDU das zu nennen was sie ist: Rechts. Nicht rechtsextrem(oder radikal), aber rechts im Politischen spektrum. Politik wird zugunsten großer Unternehmen, Reicher und Sicherheitsbehörden betrieben (und vielleicht $Religion).
    Konservative haben vor allem Angst. In der CDU mehr vor Schwulen, bei den Grünen mehr vor Gentechnik und Atomkraft. (Frag dich mal warum der Kretschmann in BaWü sogut ankommt. Der hat als Person unglaubliche Zustimmungswerte.)
    Besonders in der Ostdeutschen Pampa sind viele Politiker der Linken im Prinzip auch konservativ.
    In demman den Begriff Rechts unbenutzbar macht besetzen die Rechten(die im normalen politischen Spektrum auch einfach dazugehören) dann den Begriff konservativ.

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  6. sternburg

    Nur rein interessehalber: Warum wurde diese Sendung erst knapp 9 Monate nach Aufzeichnung veröffentlicht?

    [wie immer gilt: Geht mich der Grund einen Scheißdreck an, dann ist genau dies die völlig ausreichende Antwort]

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  7. André

    Ich fand das eine erfrischend ehrliche Bestandsaufnahme der Möglichkeiten. Eigentlich ist doch klar, dass politische Mitwirkung selten einfach ist. Im Prinzip nur dann, wenn man anderen schnell klarmachen kann, dass das eigene Anliegen wichtig ist, dass der eigene Lösungsansatz offenkundig richtig und umsetzbar ist und es keine gegenläufigen politischen Interessen gibt. Alles zusammen trifft fast nie zu (oder es wurde schon umgesetzt) und dementsprechend gibt es Widerstand. Trösten sollte einen einerseits, dass viele andere im gleichen Boot sitzen und dass andererseits diejenigen, die politisch über mehr Einfluss verfügen, dafür oft ihre ursprünglichen Ansichten und Gestaltungsinteressen geopfert haben.

    Was ich als Beteiligungsformen noch mitgenannt oder expliziter gemacht hätte: Interessenvertretung/Lobbyismus, Wissensproduktion (manchmal hören sie ja doch auf die Kritiker oder Experten / “die normative Kraft des Faktischen”), Aktivismus (vielfältige Formen mit unterschiedlicher Effektivität, aber zum Beispiel Transparenzaktivismus hat sich zuletzt als ziemlich wirkungsvoll erwiesen, ob überwiegend mit erwünschten Folgen ist eine interessante Diskussion).

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  8. Icetwo

    Der Petitionsausschuss muss sich mit JEDER eingegangenen Petition beschäftigen. Das Quorum ist nur dafür notwendig um bei Öffentlichen Petitionen vor dem Ausschuss vorsprechen zu dürfen

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